19. Januar 2015

Der Priming Effekt – Teil II

Weitere Studien über assoziative Anbahnung

Auch in diesem Artikel beschäftigen wir uns mit Untersuchungen aus der Primingforschung. Priming, also die durch einen Reiz hervorgerufene assoziative Vorbereitung oder Anbahnung, wird manchmal auch als Seeding oder Framing bezeichnet.
Obwohl es für das Priming nicht nötig ist, arbeiten viele Experimente mit unbewussten Primes. Entweder erfolgt das Priming subliminal, also unterschwellig (siehe Apple sticht IBM) oder es ist der geprimten Person der Zusammenhang zwischen Prime und der Folgeaufgabe unbekannt (Donald- oder Florida-Experiment). Und gerade hier zeigt sich, wie sehr unser Verhalten und unsere Urteile in ein unbewusstes Assoziations-Netzwerk eingebunden sind.
Schauen wir uns das nun weiter an. Heute geht es um den Pygmalion Effekt, um Wartezeiten, Spendenbereitschaft, Verhandlungsbereitschaft, Sympathie und Reihenfolgen.

 

Erwartungen werden Wirklichkeit – der Pygmalion Effekt

Der Pygmalion Effekt beschreibt ein Phänomen, das in den Bereich der selbsterfüllenden Prophezeihungen fällt. Der Name geht auf die griechische Mythologie zurück, in der der Künstler Pygmalion von Zypern, eine Elfenbeinstatue schuf, die wie eine lebendige Frau aussah. Von lebenden Frauen enttäuscht, verliebte er sich schließlich in sein Werk. Pygmalion flehte Venus an, dass seine künftige Frau so sein möge, wie diese von ihm erschaffene Statue. Venus erhört ihn, seine Statue wird lebendig und sie leben glücklich bis an ihr Ende…

Der Pygmalion Effekt beschreibt, wie unsere (unbewusste) Erwartung an einen anderen Menschen, unser Verhalten und seine Leistung beeinflusst.

Pygmalion mit Schülern

In diesem Experiment aus den späten 60er Jahren wurde Lehrern vermittelt, dass das Leistungspotential ihrer Schüler im Rahmen einer Forschung ermittelt wird. Es sollten die 20% der Schüler bestimmt werden, von denen besonders hohe Leistungen aufgrund eines bevorstehenden Entwicklungsschubs zu erwarten waren. Diese Liste wurde den Lehrern mitgeteilt – allerdings, und das wussten die Lehrer nicht, wurden die vermeintlich besonders Leistungsfähigen nach einem zufallsgesteuerten Verfahren ausgewählt.
Nachdem der IQ aller Schüler zu Beginn, nach 8 Monaten und nach einem Jahr gemessen wurde, stellte sich heraus, das genau die 20% der Schüler, die aufgrund der Losentscheidung zu der Gruppe der besonders Begabten zählten, ihren IQ deutlich mehr steigern konnten, als der Rest der Gruppe. 45% der als hochbegabt ausgewählten Kinder konnten ihren IQ um 20 oder mehr Punkte steigern, und 20% konnten ihn um 30 oder mehr Punkte steigern. Die stärksten IQ-Steigerungen traten übrigens bei den Kindern auf, die ein besonders attraktives Äußeres hatten. Auffällig war weiterhin, dass der Charakter der „Hochbegabten“ von den Lehrern positiver beurteilt wurde. Offenkundig führte die Erwartung der Lehrer an diese auserwählte Gruppe von Schülern dazu, dass sie diesen Schülern mehr oder andere Aufmerksamkeit gaben und sie insgesamt positiver einschätzten.

Rosenthal, Jacobson: Pygmalion im Unterricht. Beltz, Weinheim 1971

Pygmalion mit Ratten

Dass der Pygmalion-Effekt sogar mit Ratten funktioniert, konnte in einem weiteren Versuch gezeigt werden. Studenten wurden beauftragt Ratten beizubringen, durch ein Labyrinth den schnellsten Weg zur Futterstelle zu lernen. Einer Gruppe von Studenten wurde gesagt, dass sie mit einer speziellen Gruppe von sehr intelligenten Ratten arbeiten würden. Eine andere Gruppe von Studenten erhielt die Information, dass sie mit einer Gruppe von besonders dummen Ratten arbeiten sollten.
Die Ratten in beiden Experimenten wurden in Wirklichkeit zufällig ausgewählt. Auch in diesem Experiment stellte sich heraus, dass die Erwartung der Studenten das Lernverhalten der Ratten deutlich beeinflusste.
Eine Befragung der Studenten nach Abschluss des Experiments brachte zutage, dass die vermeintlich intelligenteren Ratten während des Versuchs mehr Zuwendung bekamen. Außerdem sagten die Studenten mit den „intelligenten Ratten“, dass es Spaß gemacht habe mit diesen Tieren zu arbeiten, was die andere Gruppe nicht sagte.

Legewie, Heiner & Ehlers, Wolfram. Knaurs moderne Psychologie. München 1992

 

Wie lange wartest du, wenn du vorher mit Worten der Höflichkeit geprimt wurdest?

In einer bereits im letzten Artikel genannten Studie von John A. Bargh, Mark Chen und Lara Burrows ging es um das semantische Priming von Warteverhalten.
Nachdem 34 Testpersonen im Rahmen eines Sprachfähigkeitstests aus Wortsalat sinnvolle Sätze bilden sollten, wurden sie gebeten in einem anderen Raum den Versuchsleiter aufzusuchen, um dort eine Abschlussaufgabe zu erhalten. Es gab drei Gruppen von zufällig zusammengestellten Testpersonen. Die einen bekamen eher aggressive Worte, die nächsten eher Worte, die mit Höflichkeit in Verbindung stehen und die dritten eher neutrale Worte in ihrem Wortsalat gereicht.
Der eigentliche Versuch bestand nun darin, herauszufinden, nach welcher Zeit Versuchspersonen nach Abschluss des ersten Tests, den in ein Gespräch vertieften Versuchsleiter unterbrachen, um ihn nach der Abschlussaufgabe zu fragen.
Innerhalb von 10 Minuten unterbrachen 18% der höflich geprimten, 38% der neutralen und 64% der aggressiv geprimten Personen das Gespräch des Versuchsleiters mit der anderen Person.

Bargh, J. A., Chen, M. & Burrows: Automaticity of social behavior. Direct effect of trait construct and sterotype activation on action. Journal of Personality and Social Psychology. 1996

Fährst du anders Auto: 1) nach einem Actionfilm oder 2) nach einem langsamen romantischen Liebesfilm?

Bilder von sexy Frauen machen Männer weniger spendenbereit

„Sex sells“, lautet eine altbekannte Redewendung aus der Werbeindustrie, die besagt, dass sich einige Dinge besser verkaufen lassen, wenn sie zusammen mit sexuellen Inhalten, wie z.B. Frauen in Bikinis, präsentiert werden. Dass dies nicht immer zutrifft, zeigt eine im Journal of Consumer Research veröffentlichte Priming-Studie. In einer Reihe von Untersuchungen mit Männern zwischen 18 und 24 Jahren wurden den Versuchspersonen Bilder von sexuell anziehenden Frauen gezeigt, während eine Kontrollgruppe Bilder von schönen Landschaften betrachtete. Eine weitere Kontrollgruppe bekam überhaupt keine Bilder zu Gesicht.
Als Ergebnis zeigte sich, dass sich die durch die sexuell anziehenden Bilder geprimten Personen im Anschluss als von anderen Menschen getrennter wahrnahmen und weniger Gemeinsamkeiten mit anderen empfanden, als die anderen Probanden. Als direkte Folge zeigten sie auch ein geringeres Interesse an Produkten, deren Erlös anderen Menschen zugute kommen sollte und waren darüber hinaus nicht so spendenbereit, wie die Vergleichsgruppe. So zeigten sich diese Männer weniger dazu geneigt, einem anderen Studenten 10 $ zu geben (unabhängig davon, ob es sich hierbei um eine männliche oder um eine weibliche Person handelte). Die sexuell geprimten Personen waren auch weniger bereit, ein T-Shirt zu kaufen und zu tragen, bei dem es um den Erhalt einer vom Aussterben bedrohten Art ging.

Spendenorganisationen sind also gut beraten, bei ihren Aktionen auf andere Rezepte als das Sex-sells-Konzept zurückzugreifen.

Xiuping Li, Meng Zhang. The Effects of Heightened Physiological Needs on Perception of Psychological Connectedness, Journal of Consumer Research. Dezember 2014
Quelle

Verändert die Härte eines Stuhls unsere Kompromissbereitschaft in Verhandlungen?

Wenn uns bei unserem nächsten Autokauf ein weicher Sessel angeboten wird, könnten wir misstrauisch werden. Möglicherweise möchte der Verkäufer tatsächlich nur, dass wir es bequem haben. Vielleicht kennt er aber auch die Ergebnisse der folgenden Studie.
In fiktiven Verhandlungen um den Preis eines Autos nahm ein Teil der Probanden auf harten Holzstühlen Platz, während der anderen Gruppe ein weicher Sessel angeboten wurde. Die Probanden, die auf einer harten Unterlage saßen, zeigten sich auch in den Verhandlungen härter und waren deutlich weniger gewillt, von ihrem ersten Angebot abzuweichen. Die Personen, die in einem weichen Sessel saßen, kamen dem Verkäufer in ihrem Angebot deutlich mehr entgegen. Sie waren deutlich häufiger bereit, ein zweites Angebot abzugeben und erhöhten ihr Angebot im Schnitt um fast 40% mehr als die Personen auf den harten Holzstühlen.
Angesichts dieser Zahlen dürfte sich aus Sicht eines Autoverkäufers die Investition in einen bequemen Luxussessel bereits nach kürzester Zeit amortisiert haben.
Quelle

Kann die Temperatur eines Getränkes unsere Sympathie für eine unbekannte Person beeinflussen?

Eine weitere Studie, die in der Zeitschrift Science veröffentlicht wurde, bejaht diese Frage. Die Versuchspersonen wurden auf dem Weg zum Versuchslabor beiläufig gebeten, kurz einen Getränkebecher zu halten. Eine Gruppe sollte einen Becher mit heißem Kaffee, eine andere Gruppe einen Becher mit einem Kaltgetränk halten. Im Anschluss daran wurden beide Gruppen aufgefordert, die Persönlichkeit einer anderen Person anhand einer schriftlichen Beschreibung einzuschätzen.
Die Versuchspersonen, die zuvor ein warmes Getränk in den Händen gehalten hatten, tendierten eher dazu, diese Person als fürsorglich oder großzügig einzuschätzen.
In einem weiteren Versuch agierten die Probanden, die einen warmen Gegenstand gehalten hatten, großzügiger als die Vergleichspersonen.

In dem folgenden Video (anscheinend kein Doppelblindversuch) wird dies in einem ähnlichen Ablauf ebenfalls untersucht (Experiment beginnt nach der ersten Minute).

Die Reihenfolge beeinflusst das Ergebnis

Selbst die Reihenfolge von Fragen beeinflusst die Antworten. Vorher gestellte Fragen können ein Priming für folgende Fragen sein und so die Ergebnisse der Befragung beeinflussen. In einer Studie hierzu wurde einer Gruppe von Versuchspersonen ein Fragebogen vorgelegt, der u.a. folgende Fragen beinhaltete:

„Wie glücklich sind Sie zur Zeit?“
„Wie viele Verabredungen hatten Sie im vergangenen Monat?“

Wurden diese beiden Fragen in genau dieser Reihenfolge gestellt, zeigte sich kein Zusammenhang. Wurden die beiden Fragen jedoch vertauscht, zeigte sich, dass die erste Frage das Ergebnis der zweiten Frage maßgeblich beeinflusste. Die Befragten bewerteten ihr Glück im zweiten Fall beeinflusst durch die Antwort, die sie auf die Frage nach der Anzahl an Verabredungen im Vormonat gegeben hatten.

Fritz Strack, Leonard L. Martin, Norbert Schwarz: Priming and Communication: The Social Determinants of Information Use in Judgments of Life Satisfaction. In: European Journal of Social Psychology. Band 5, Nr. 18, 1988, S. 429–442.

Das Portal für Online-Umfragen SurveyMonkey hat den Priming-Effekt in Zusammenhang mit Fragebögen ebenfalls erkannt. Aus diesem Grund gibt die Firma auf ihrem Blog konkrete Handlungsanleitungen, um durch Priming verursachte Verfälschung von Ergebnissen zu vermeiden. Eine einfache Lösung ist die randomisierte Anordnung der Fragen, was durch die Software der Plattform ermöglicht wird. Da die Teilnehmer einer Untersuchung in diesem Fall ihre Fragen in unterschiedlicher Reihenfolge erhalten, wird so der Priming-Effekt zumindest reduziert.

Die Ergebnisse der Priming-Forschung sind immer wieder überraschend. Aus einigen dieser Beispiele ergeben sich Anregungen, worauf es sich lohnt in bestimmten Situationen, wie beispielsweise in Verhandlungen oder Umfragen zu achten, um die Ergebnisse nutzbar zu machen.
Im nächsten Artikel werden wir uns noch eingehender mit weiteren Anwendungsmöglichkeiten für unterschiedliche Bereichen wie Persönlichkeitsentwicklung, Beratung und Kommunikation auseinandersetzen.

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